Die Krone der Schöpfung

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Der Mensch betrachtet sich ja gerne als die Krone der Schöpfung. Dabei hege ich den leisen Verdacht, dass er sich schon längst selbst überholt hat. Faszinierend daran finde ich, dass ich dabei nicht etwa an die Forschung im Bereich künstlicher Intelligenz denke. Es geht viel einfacher, die neue Krone der Schöpfung scheint das Smartphone zu sein. Wir hätten es aufhalten können, in dem wir beim schnöden Handy mit der Entwicklung aufgehört hätten, haben wir aber nicht, wir haben es weiterentwickelt. Ein Fehler! Denn nun schalten diese modernen Dinger überall das Hirn seiner Nutzer aus.

Rückschlüsse, dass dem so sein muss ziehe ich einfach aus meinen Beobachtungen bei alltäglichen Ausflügen in die reale Welt. Denn sobald einer dieser hoch gefährlichen Hirnabschalter seinen Wirt gefunden hat, lässt dieser Anstand, Respekt und weitere normale menschliche Fähigkeiten nicht nur missen, sie sind schlicht und ergreifend verschwunden. Ganz zu schweigen von der Fähigkeit seiner Umwelt die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, geht ja nicht, das Gerät hat ja übernommen und seinen Wirt auf Automodus umgeschaltet.

So auch letztens im Supermarkt meiner Wahl. Ich bin ja mittlerweile vorgewarnt, was Nutzer solcher Geräte alles fertig bringen. Da wäre z.B. das Telefonieren an der Kasse und alle, die dahinter stehen, erst mal warten zu lassen. Gibt ja was Wichtiges zu besprechen; z.B. wann man den Markt verlässt und man zuhause wieder ankommt. Ich bezweifle übrigens mittlerweile, dass die gemachten Zeitangaben zutreffen, das Gerät lässt sich unterwegs bestimmt noch was einfallen, um den Wirt aufzuhalten. (Aber diesen Umstand kann man ja via Kurznachricht auch noch übermitteln.) Oder man überläuft Mitmenschen auf der Straße, dass meine ich wortwörtlich so, da man ja gerade eine „wichtige“ Nachricht schreiben muss. Z.B. darüber, wie das Wetter gerade so ist und das man sich freut in (wahrscheinlich) 10 Minuten da zu sein. Gibt es eigentlich schon Statistiken dazu, wie viele Verletzte diese Geräte produziert haben? Z.B. durch laufen vor Lichtmasten oder das überfahren werden weil man gerade die Aktienkurse gecheckt hat?

Ich schweife schon wieder ab, zurück in den Supermarkt. Da gibt es ja diese Glasvitrinen, die man aufklappen kann, wenn man was entnehmen will. Alles ganz einfach, Tür auf, raus nehmen und Tür wieder zu. Genau diese, eigentlich einfache Tätigkeit, war mein Ziel. Ich wollte schön gekühlte Ware entnehmen. Soweit, so gut. Wenn da nicht die Hirnabschalter wären. Ich blicke Richtung Ziel, alles frei, ich gehe darauf zu. Wie aus dem Nichts tauchen von links und rechts zwei Frauen auf. Ok, denke ich, lassen wir ihnen den Vortritt, das Regal ist schließlich für alle da, solange sie mir noch was übrig lassen. Schon wenige Sekunden später teilt mir mein Hirn mit, dass hier was nicht stimmt. Die eine Frau hat beschlossen, einfach nur vor dem Ziel meiner Wahl stehen zu bleiben und den Blick durch den Markt schweifen zu lassen. Nicht weiter schlimm, ich wäre noch dran gekommen, wenn da nicht Frau Nr. 2 gewesen wäre.
Diese stellt ihr Körbchen und sich selbst erst mal davor ab. Nicht etwa, weil sie die Vitrine öffnen will, sie packt ihr Smarphone aus. Wer jetzt denkt, sie will einen Anruf annehmen liegt falsch. Sie möchte, direkt vor dem Ziel meiner Wünsche, einen Anruf selbsttätig einleiten. Wtf? „Meine Fresse“, denke ich, gibt es wirklich Dinge, die man klären muss, wenn man inmitten von Menschen in einem Supermarkt steht? Ich finde dafür keine Worte, noch nicht mal ein Bitte fällt mir ein, ich schiebe mich einfach an ihr vorbei. Dank Hirnabschalter, funktioniert das sogar, ohne das ich wahrgenommen werde.

Das Erlebnis hört jetzt aber noch nicht auf. Du als Leser willst jetzt sicher wissen, was bei der Frau so wichtig war. Jetzt könnte man denken, dass hat man eh nicht mitbekommen können, weil man ja mit Rücksicht auf seine Menschen leise in seinen Hirndämpfer spricht. Ich kann dich, lieber Leser, beruhigen, der halbe Supermarkt hat gehört was ihr Anliegen war. Schon bei ihrem ersten, laut ausgesprochen Satz hätte man es ahnen können, „Hab ich dich geweckt?“, brüllt sie in das Gerät. Bei ihrem Gesprächspartner kann ich dass nicht sagen, die Menschen im Markt hat sie auf jeden Fall geweckt, jedenfalls diese ohne dringendes Telefonbedürfnis.

Ich gehe weiter durch den Markt, ich habe was ich wollte. Nächster Halt, Süßigkeitenregal, man gönnt sich ja sonst nichts. „Haaaasssssssst du Mittaaaaagsschlaf gemacht …“ ertönt es hinter mir. Und da war sie wieder, es wurde weiter unterhalten und zwar alle Mitmenschen. Am Ende habe ich daraus geschlossen, sie hat allen Ernstes mitten beim Einkaufen angefangen zu Hause anzurufen, um zu wissen, ob die Kackbratze auch ihren Mittagsschlaf gemacht hat.

Bei solchen Erlebnissen, vor allem dann, wenn sich diese häufen, darf man doch wohl ein bisschen am allgemeinen Zustand der Menschheit zweifeln. Oder?